Bei der digitalen Produktentwicklung neben dem laufenden Betrieb Schritt zu halten, ist im Umfeld des Bankings nicht immer ganz einfach. Doch was braucht es, um neue Produkte in der digitalen Welt neu- oder weiterzuentwickeln? Wir müssen weg von traditionellen Rollen in den Fachabteilungen, die von Projektmanager:innen zur Transformation „getrieben“ werden, hin zu neu definierten Rollen mit den Kompetenzen in Produkt, Technologie und Design und einem klaren Fokus auf die digitale Produktlösung. Wie Banken ihren Fokus künftig stärker auf digitale Produkte lenken können, welche Veränderungen in Rollen und Zuständigkeiten hierfür nötig sind und wer wann zum Einsatz kommt – das erläutere ich in diesem Blogpost.
Produktmanagement im Banking – früher war weniger Lametta
Die Anforderungen an traditionelle Banken haben sich verändert. „Produkte“ – das waren einmal Konten, Kredite, Wertpapiere und Versicherungen. Die Konzepte hierfür stammten von den Fachabteilungen. Lange Word-Dokumente beschrieben Anforderungen, die die IT dann genauso umsetzen sollte. Eine in der „traditionellen Bankenwelt“ meist praktizierte, aber durchaus gefährliche Wasserfallmethode. Nicht selten stellte sich nach mehreren Monaten IT-Aufwand heraus: Die Idee ist technisch gar nicht umsetzbar oder erfüllt nicht das Ziel der Fachabteilungen – von Kundenbedürfnissen ganz zu schweigen.
Aber auch: So weit, so wenig Austausch. Was damals funktionierte, ist im Zuge der veränderten Anforderungen in der digitalen Welt nicht erfolgreich.
Produktmanagement oder Projektmanagement – was ist eigentlich der Unterschied und wo ist das Problem?
Das Bewusstsein über die Differenzierung zwischen Produkt- und Projektmanagement ist essenziell. Nur so ist die gemeinsame Arbeit am Produkt effizient. Vorab: Jede (größere) Neueinführung oder Umstellung eines digitalen Produktes benötigt ein fähiges Produktmanagement – und auch ein fähiges Projektmanagement. Aber von vorn: Wo liegt eigentlich der Unterschied?
Das Produktmanagement trägt die Verantwortung für den gesamten Produkt-Lebenszyklus und spielt damit eine übergeordnete Rolle. Es hat die Aufgabe, die Business Strategie, und die Bedürfnisse der Kund:innen und Anforderungen von Stakeholdern so zusammenzuführen, dass ein möglichst wertvolles Produkt entsteht. Ein erfolgreiches Produkt muss valuable, usable und feasible sein – dass das gegeben ist, wird vom Produktmanager sichergestellt.
Das Projektmanagement hingegen ist verantwortlich für die tägliche, operative Durchführung eines Projektes. Es koordiniert beispielsweise ein Unterprojekt, das sich aus dem Produktmanagement ergibt. Das Projektmanagement achtet darauf, dass alles im Rahmen des Projektes in geregelten Bahnen läuft. Es ist sowohl aktiv als auch reaktiv beteiligt.
Das Problem mit dem Projektmanagement im Produktmanagement
Bisher managen Banken die digitale Produktentwicklung vor allem mit Projektmanager:innen. Dabei ist ihre Aufgabe, alles in geregelten Bahnen, im „Projektmanagement-Dreieck“, zu halten, also auf Zeit, Budget und Scope zu achten. Sie steuern die Umsetzung des Projektes entsprechend bestimmter KPI. Anders als vom Bankmanagement häufig angenommen, definiert das Projektmanagement keine Anforderungen an das Projekt, das es bearbeitet. Etwaige Anforderungen stammen von den Fachabteilungen. Diesen fehlt jedoch häufig noch die Erfahrung mit der Arbeit in diversen und cross-funktionalen Teams, die die Arbeit an digitalen Produkten mit sich bringt. Hier ist die enge Abstimmung mit Entwickler:innen und Designer:innen nötig. Zusätzlich: Gerade bei der Neuentwicklung von Produkten arbeiten Produkt- und Projekmanagement häufig parallel. Es kommt zu Überschneidungen der Aufgaben. Wichtig dabei: Klare Zuständigkeiten zuweisen – welcher ist wessen „Tanzbereich”?
Übrigens: Bei Fintechs ist das Problem häufig andersherum. Hier steht das digitale Produkt meist im Vordergrund und die Produktrolle ist bereits modern organisiert. Im Gegensatz zur traditionellen Bank fehlt dem Fintech oftmals aber die bankfachliche Expertise der traditionellen Fachabteilungen.
Neue Anforderungen an das Produktmanagement im Banking
Heute ist ein Produkt mehr als ein Konto oder ein Kredit. Heute ist eine Produktlösung einer Bank immer an eine bis mehrere komplexe Softwarelösung gekoppelt: Kernbankensysteme, Data Warehouse, CRM-Anwendungen und das Online Banking der Kund:innen. Die für Kund:innen sichtbare Produktlösung begleitet die Kund:innen von der Information über den Kaufprozess bis hin zur Produktnutzung. Das bedeutet auch, dass mehr Gewerke involviert sind, um die Vielzahl der strategischen, konzeptionellen und operativen Anforderungen erfüllen zu können
Um Nutzenden die beste Journey zu ermöglichen, ist das optimale Zusammenspiel verschiedener Gewerke essenziell. Die Anforderungen der einzelnen Gewerke sind wichtig und richtig – denn jeder Teilbereich bringt seine eigene Expertise mit. Werden die Anforderungen effektiv zusammengeführt, etwa durch ein übergreifendes Produktmanagement, ist das optimale Ergebnis nah. Doch welche Herausforderungen sind das und wie lassen sie sich „verzahnen“?
Planspiel Produktmanagement im Banking – the new one
Das Produktmanagement möchte ein bestehendes Produkt optimieren. Aber anstatt lediglich die Entwickler zu briefen, werden alle Anforderungen und Raffinessen involviert, gebündelt und miteinander verzahnt. Das Marketing beispielsweise wünscht sich, dass das Produkt automatisiert Daten trackt und dass Newsletter versendet werden können. Der Kundenservice merkt wichtige Nutzbarkeiten am Produkt an. Hier schließt sich Design an und bringt innovative Gestaltungsideen ein. Die fehlerfreie Funktionalität in App- und Webanwendung muss gesichert und im besten Fall automatisiert sein, dass das Backoffice mit begrenzter Kapazität nicht zu viele manuelle Tätigkeiten hat. Compliance fordert, dass gewisse Kundeninformationen geteilt und Kundenbestätigungen verlässlich sowie für Audits auswertbar erfasst werden. Die IT stellt Anforderungen an den Aufbau der allgemeinen Infrastruktur, um die Umsetzung der neuen Features überhaupt gewährleisten zu können oder merkt Security-Lücken an. Parallel wünscht sich das Management eine zusätzliche Funktionalität und die Neuentwicklung einer Produktkomponente.
Und dann sind da noch die Bedürfnisse der wichtigsten Stakeholder – die der Kund:innen. Denn sie sollen das Produkt mit Freude nutzen können.
Neues Banking-Produktmanagement: Verzahnung mittels Tools
Das Planspiel zeigt: Die Anforderungen sind umfassend und bunt. Das Produktmanagement von früher funktioniert hier nicht mehr. Banken gelangen nur durch die zielführende Verzahnung der Gewerke zum bestmöglichen Produkterlebnis für ihre Kund:innen. Dafür ist das gemeinsame (!) Arbeiten die notwendige Basis. Nur so erfährt das „Wie“ des Produktes die nötige Aufmerksamkeit. Um diesen Fokus zu gewährleisten, müssen Produktmanager:innen einen genauen Überblick behalten. Diese neue Komplexität erfordert Kenntnisse in Entwicklungsmethoden, wie zum Beispiel Scrum und Kanban, und Erfahrungen in der Nutzung agiler Arbeitstools wie Jira und Confluence. Das Produktmanagement benötigt also ein breites generalistisches Wissen im Umgang mit den verschiedenen Gewerken sowie methodische Skills, wie die Zusammenarbeit mit cross-funktionalen Teams funktioniert. Auch eine ausgeprägte emotionale Intelligenz spielt eine wichtige Rolle.
Produktmanagement im Banking: So wird’s was!
Verschiedene Schritte können dazu führen, dass sich die Implementierung digitaler Produkte für traditionelle Banken vereinfacht.
Schritt 1: Traditionelle Fachabteilungen, die viel Fachwissen mitbringen, sollten vor – spätestens aber während – der Produktentwicklung zu neuen Rollen, Verantwortlichkeiten und Methodiken der Zusammenarbeit geschult werden. Dazu gehören nicht zuletzt agile Arbeitsmethoden, Werkzeuge zur Produktentwicklung und die cross-funktionale Zusammenarbeit. Im Falle einer internationalen Zusammenarbeit bietet sich zur Vorbereitung auch ein Englisch-Kurs an So können Anforderungen zeitsparend in einer Sprache abgestimmt werden.
Schritt 2: Zusätzlich zum Projektmanagement und zur Fachabteilung sollte die Rolle einer Produktmanagerin bzw. eines Produktmanagers (oder eines Product Owners) etabliert werden – vor allem dann, wenn es um komplexe Produktentwicklungsprojekte geht. Außerdem sollten Designer:innen und Entwickler:innen bereits frühzeitig, etwa im Zuge der Konzeption hinzugezogen werden.
Schritt 3: Es sollte eine eigenständigen Produkteinheit, ein Produktteam, eingeführt werden. Diese managt die Strategie in Zusammenarbeit mit dem Top-Management. Außerdem ist sie gemeinsam mit dem Design für die Konzeption und die Anforderungen an das digitale Produkt zuständig. Zusätzlich steuert das Produktteam zusammen mit den Entwickler:innen die Umsetzung der Anforderungen.
Die Zukunft des Produktmanagements im Banking
Richtig gutes Produktmanagement im Banking sollte also künftig auf neue Rollen, eine veränderte, aber klare Aufgabenteilung und interdisziplinären sowie frühzeitigen Austausch setzen. Die Fachabteilungen behalten die Hoheit für die Bankfachlichkeit. Das Produktmanagement trägt die Verantwortung für die Anforderungen an passende digitale Lösungen – in Zusammenarbeit mit entsprechenden Teams. Und das Projektmanagement? Das stellt sicher, dass Einzelprojekte im Rahmen des Produktmanagements erfolgreich zum Abschluss kommen.